Branche attraktiver machen

Teilzeitförderung und eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben trägt zum Erhalt von Fachkräften und zur Gleichstellung bei.

Aufholbedarf

Teilzeitarbeit ist ungleich verteilt, zwischen den Geschlechtern und zwischen den Branchen. Sechs von 10 Frauen arbeiten Teilzeit, aber nur zwei von 10 Männern. Und während im Dienstleistungssektor fast jede zweite Stelle eine Teilzeitstelle ist, ist dies im Sektor Bau und Industrie erst jede sechste Stelle.

Die Ungleichverteilung nach Branchen ist besonders ausgeprägt bei den Männern. Während im Dienstleistungssektor schon fast jeder dritte Mann Teilzeit arbeitet (29,7 Prozent), ist es im Gebäudehüllengewerbe nur gerade jeder 14. Mann (6,7 Prozent). Total lag der Anteil Teilzeitstellen im Gebäudehüllengewerbe 2023 bei rund 7 Prozent.

Kuchendiagramm Teilzeitstellen im Gebäudehüllengewerbe
Quelle: PLK Gebäudehüllengewerbe (GAV-Geltungsbereich).

Es besteht also Aufholbedarf. Deshalb hat Gebäudehülle Schweiz zusammen mit dem Verein Pro Teilzeit und den Gewerkschaften Unia und Syna das Projekt «Teilzeitbau. Vereinbarkeit im Gebäudehüllengewerbe» ins Leben gerufen, das die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit fördern will.

Männer bei Teilzeit benachteiligt

Männer mit dem Wunsch nach Teilzeitarbeit sind im Vergleich zu Frauen benachteiligt. Zu diesem Schluss kommt unter anderem eine Studie der Konjunkturforschungsstelle der ETH.

Die Studie untersuchte die Arbeitsmarktdiskriminierung in der Schweiz anhand vom «Job Room», der Online-Arbeitsmarktplattform des Staatssekretariates für Wirtschaft Seco. Dort schalten Stellensuchende ihr Profil auf und Rekrutierende klicken sich durch, um nach geeignetem Personal zu suchen. Während zehn Monaten wurde jeder einzelne dieser Klicks untersucht. Die Studie wollte herausfinden, welche Auswirkungen der Wunsch nach Teilzeitarbeit auf die Chance hat, von den Rekrutierenden kontaktiert zu werden.

Studie zu Arbeitsmarkt­diskriminierung

Der Wunsch nach Teilzeitarbeit stellt generell ein Hindernis für eine Anstellung dar. Je geringer das gewünschte Pensum, desto kleiner ist gemäss einer ETH-Studie die Chance, angestellt zu werden. Bei Frauen ist der Wunsch nach Teilzeitarbeit jedoch besser akzeptiert als bei Männern.

In frauendominierten Branchen ist der Wunsch nach Teilzeitarbeit anerkannter als in männerdominierten Branchen. Das Gebäudehüllengewerbe ist eine männerdominierte Branche: 99 Prozent der Beschäftigten sind Männer.

Frauen ansprechen

Heute arbeiten fast nur Männer im Gebäudehüllengewerbe: 99 Prozent der dem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) unterstellen Mitarbeitenden sind Männer. Doch langsam beginnt sich das zu ändern, bei den Lernenden beträgt der Frauenanteil vier Prozent, Tendenz steigend.

Kuchendiagramme Mitarbeitende und Lernende nach Geschlecht
Quelle: PLK Gebäudehüllengewerbe (GAV-Geltungsbereich).

Die Förderung der Vereinbarkeit im Gebäudehüllengewerbe trägt dazu bei, mehr Frauen für den Beruf zu gewinnen und sie dann auch im Beruf zu halten.

Eltern wünschen Teilzeit

Gemäss einer Studie des Bundesamtes für Statistik wünschen sich die meisten Eltern mit Kindern im Vorschulalter eine Aufteilung der Erwerbsarbeit und der Kinderbetreuung.

Bei den Frauen bezeichneten 53 Prozent und bei den Männern 40 Prozent das Modell «beide Eltern Teilzeit erwerbstätig» als ideal. Dieser Wunsch entspricht aber nicht der Realität. Denn bei nur 13 Prozent der Befragten arbeiteten beide Eltern Teilzeit.

Vergleich zwischen tatsächlicher Aufteilung der Erwerbsarbeit und Idealvorstellung

Aus: Familien in der Schweiz, Statistischer Bericht 2021, Bundesamt für Statistik BFS

Diese Kluft zwischen Wunsch und Realität zeigt auf, dass die Benachteiligung von Männern bei Teilzeitarbeit eine direkte Auswirkung auf das Zusammenleben von Paaren mit kleinen Kindern und damit auch auf die Gleichstellung hat.

Mit der Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie in einer männerdominierten Branche leistet die Gebäudehüllengewerbebranche einen wichtigen Beitrag für die Gleichstellung und für junge Familien.

Dem Fachkräftemangel entgegenwirken

Die aktuelle demografische Entwicklung führt zu einem Fachkräftemangel. Eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben trägt dazu bei, die Mitarbeitenden im Unternehmen und im Beruf zu halten.

Mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben kann nämlich Grund für einen Stellen- oder Branchenwechsel sein. Fast jeder fünfte Vater und jede dritte Mutter hat für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie schon die Arbeitsstelle gewechselt. Dies gemäss dem Familienbericht des Bundesamtes für Statistik (Kapitel 5.5).

Verschiedene Studien belegen zudem, dass gerade für die kommende Generation Z die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben besonders wichtig ist.

Eine gute Vereinbarkeit macht die Gebäudehüllengewerbebranche attraktiver – für Männer und für Frauen.

Vorruhestandsmodell unterstützen

Im Gebäudehüllengewerbe gibt es ein Vorruhestandsmodell (VRM). Dieses sieht die Möglichkeit für Teilzeitarbeit ohne entsprechenden Einkommensverlust für Mitarbeitende ab 60 Jahren vor: Der durch Teilzeitarbeit verringerte Lohn wird mit Überbrückungsrenten zum grossen Teil ausgeglichen.

Dieses Modell erlaubt einen schrittweisen Übergang in die Pensionierung und trägt dazu bei, dass Mitarbeitende bis zum vollen Ruhestand gesund im Arbeitsprozess bleiben können.

Es braucht im Gebäudehüllengewerbe daher auch Teilzeitarbeitsmodelle für die älteren Mitarbeitenden, die das Vorruhestandsmodell nutzen.

Herausforderungen angehen

Teilzeitarbeit und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben stellen Unternehmen vor Herausforderungen. Insbesondere im Gebäudehüllengewerbe, wo eine grosse Wetterabhängigkeit besteht, in der die Arbeiten immer von Teams ausgeführt werden und die von Klein- und Kleinstbetrieben geprägt ist.

Mit dem Projekt «Teilzeitbau. Vereinbarkeit im Gebäudehüllengewerbe» werden diese Herausforderungen nun fundiert angegangen, diskutiert und Lösungen für die ganze Branche erarbeitet.

Das Projekt baut dabei auf den Erfahrungen des Projekts «Teilzeitbau. Teilzeitförderung im Maler- und Gispergewerbe» auf.

Erfolgreiches Projekt

Während vier Jahren hat der Verein Pro Teilzeit zusammen mit dem Schweizerischen Maler- und Gipserunternehmer-Verband (SMGV) und den Gewerkschaften Unia und Syna ein erfolgreiches Teilzeitförderprojekt durchgeführt. In dieser Zeit haben sich die Teilzeitstellen im Maler- und Gipsergewerbe mit über 600 neuen Teilzeitstellen verdoppelt. Eine externe Evaluation kam zum Schluss, dass im Rahmen des Projekts sehr nützliche Hilfsmittel entwickelt wurden, die den Bedürfnissen der Branche entsprechen.